Hatsune Miku
Multiplizierende Realitäten eines Popstars des 21. Jahrhunderts
Sie hat Millionen von Fans und eine Vielzahl von Youtube-Videos. Die 16-jährige Japanerin singt Heavy Metal, Hip-Hop und Balladen. Ihre Konzerte sind immer ausverkauft. Und doch ist etwas anders an dem Mädchen mit den türkisfarbenen Haaren: Sie ist kein Mensch.
Im Jahr 2007 überlegte der Crypton Future Media-Chef Hiroyuki Itoh, wie er den Verkauf der zweiten Version seiner Stimmsynthesizer-Software „Vocaloid“ ankurbeln könne. Er wollte ein süßes Maskottchen kreieren und nutzte dazu die Zeichnung des Mangakünstlers Kei. Hatsune Miku war geboren.
Das Medienunternehmen Crypton Future Media ist spezialisiert auf Unterhaltungsprodukte. Sie vertreiben über Yamaha Musikinstrumente und geben mit Firmen wie Nintendo und Sega Computerspiele heraus. Mit der Software Vocaloid können Nutzer künstlichen Gesang erzeugen. Das gab es schon vor 2007. Neu war, dass der Avatar Hatsune Miku mit Stimmfärbungen von sanft und anmutig über lebhaft, kräftig und hell eine Vielzahl von Gesang wiedergeben konnte – und dabei visualisiert erschien.
Die Fans machten Hatsune Miku nun zu dem was sie ist. Nur wenige Tage nachdem das süße Mangamädchen vorgestellt wurde, luden die ersten Nutzer selbst produzierte Videoclips vor allem auf die japanische Plattform „Nico Nico Douga“ hoch. Mit dem Programm „Miku Miku Dance“ lernt die Kunstfigur zu tanzen. Seit 2012 steht Hatsune Miku`s Original-Illustration unter einer Creative Commons-Lizenz kostenlos zur Verfügung. Dies allerdings nur für nichtkommerzielle Zwecke. Davon lassen sich Tausende von Fans allerdings nicht beeindrucken. Inzwischen kursieren mehrere Millionen Songs, Adaptionen und Videos von Miku. Auf ihren Konzerten kann es dann durchaus mal passieren, dass ein Fan seinen „eigenen“ Song hört. Stilistisch ist Hatsune nicht festgelegt. Von Polka bis zu Noise ist alles zu hören. Nur eine Konstante gibt es: Ihre hohe, leicht babyhafte Gesangsstimme. Sie ist durch diese Vielfalt eine Meisterin des Universellen.
So langsam schwappt die Welle aus dem asiatischen Raum in die westliche Welt. Ein Umbruch in der Pop-Geschichte? Unlängst haben „echte“ Stars das Potential des Avatars erkannt. Lady Gaga nahm Hatsune Miku 2014 als Opening Act mit auf ihre Tour. Dort jubelten dann Hunderttausende einer singenden 3D-Projektion zu. Verrückte Welt.