Shunga

Die fast vergessenen Sexbilder der japanischen Edo-Zeit

Der Name Shunga heißt übersetzt Frühlingsbilder. Dies lässt zunächst nicht erahnen, dass damit Gemälde, Drucke und Bilder gemeint sind, die explizit sexuelle Handlungen darstellen. Mit hoher anatomischer Detailtreue bilden Shunga ab, wie sich Frau und Mann dem fröhlichen Treiben hingeben.

Shunga kommt aus Japan. Hier hatten sie ihre Blütezeit in der Edo-Periode, die von 1603 bis 1867 dauerte. Die Farbholzschnitte wurden damals in Auflagen bis zu 15000 kopiert. Für die damalige japanische Mittelschicht wurden sie sozusagen zu den ersten Sexheften. Dabei sind viele Shunga sogar humoristisch. Es gibt Bilder, auf denen ein halbes Dutzend Männer ihre Penisse vergleichen, oder Bilder die Anspielungen auf die Mächtigen ihrer Zeit machen, die mehr oder weniger verkrampft beim Liebesspiel gezeigt und lächerlich gemacht werden. Dies gefiel natürlich den Herrschern des Landes nicht und so kam es 1722 zur ersten Zensur der Drucke. Die Herstellung und der Vertrieb florierten im Untergrund trotzdem weiter, denn gemalte Shunga blieben auch weiterhin erlaubt.

Den hohen künstlerischen Stellenwert hatten die Shunga-Bilder wohl vor allem, weil praktisch alle bekannten Künstler Japans zur damaligen Zeit Shunga malten. Einer der bekanntesten Shunga-Drucke zeigt eine nackte Frau, die sich lustvoll von einem Oktopus verwöhnen lässt. Das Bild trägt den Titel „Der Traum der Fischerfrau“ und ist von dem Maler Katsushika Hokusai. Er hat ebenso den wohl bekanntesten Farbholzschnitt Japans hergestellt „Die große Welle vor Kanagawa“. Viele Künstler sahen in ihren Shunga-Werken nichts Anrüchiges und signierten diese auch mit ihrem Namen.

Der unverkrampfte Umgang mit Sexualität in Japan zu dieser Zeit kam wohl von der indigenen Religion Shintoismus. Shinto verehrte die Natur und die Fruchtbarkeit und hatte in Japan einen hohen Stellenwert. Da das Land auf der sexuellen Verbindung zweier Götter gegründet wurde, hatten die Japaner ursprünglich eine völlig andere Ausgangslage als die christliche Einstellung zu Sex, die von Scham und Sünde geprägt war. Nachdem die Edo-Periode 1868 endete, öffnete sich das Land den westlichen Einflüssen. Und so kam es, dass nach und nach öffentliche Nacktheit, gemischtes Baden in heißen Quellen und eben auch die Shunga in Verruch gerieten. Scham und Prüderie legten sich über diesen einzigartigen Aspekt der japanischen Kunstgeschichte.

Lange gerieten die Shunga-Darstellungen in Vergessenheit. In den 70er Jahren gab es im Westen die ersten Ausstellungen zu dem Thema. Vor drei Jahren veranstaltete das British Museum eine große Shunga-Ausstellung mit dem Titel „Sex und Vergnügen in der japanischen Kunst“. Die Londoner Macher wollten die Ausstellung sodann in ihr Ursprungsland zurück bringen und bekamen an über 20 Veranstaltungsorten absagen. Es schämen sich immer noch zu viele Museen, die eigenen Shunga-Werke auszustellen.